Persönlichkeitsentwicklung

Entschuldigen: So entschuldigst du dich richtig

Um sich gut zu entschuldigen helfen 5 Schritte: Ansprechen, Verstehen, Anerkennen, Verzeihen und Wiedergutmachen. Nach Hans Jellouschek.

In den letzten Wochen ging es in meinen Beiträgen hauptsächlich um das Thema Streiten und wie man dabei gelassen bleibt. Leider gelingt uns das nicht immer und dann passiert es, dass wir andere Menschen verletzen. Deshalb zeige ich dir heute, wie es dir gelingen kann, dich gut zu entschuldigen.

Grundlage für meinen Artikel ist das Buch “Liebe auf Dauer” von Hans Jellouschek. Zwar geht es in diesem Buch primär um Paarbeziehungen, ich finde aber, dass sich die Methode immer ganz gut eignet. Das Buch ist übrigens ziemlich lesenswert und ich werde noch das ein oder andere daraus vorstellen.

Was braucht es, um sich gut zu entschuldigen? Du kannst dich an diesen 5 Schritten orientieren: Ansprechen, Verstehen, Anerkennen, Verzeihen und Wiedergutmachen.

Zunächst aber ein paar Worte dazu, wie es nicht gut funktioniert.

Wie entschuldigen nicht gut gelingt

Wenn dir jemand sagt, dass er oder sie von dir verletzt wurde, hilft es nicht zu sagen: “Oh, das wollte ich gar nicht.” Dadurch machst du die Verletzung nicht ungeschehen. Ganz im Gegenteil. Du setzt noch einen oben drauf und tust so, als hätte der andere kein Recht verletzt zu sein. Es gilt aber: Der Verletzte bestimmt, ob er verletzt ist. Nicht du.

Die Kränkung runterzuspielen oder womöglich zu sagen, dass es überhaupt keinen Grund gibt, verletzt zu sein hilft nicht wirklich. Auch eine unehrlich gemeinte Entschuldigung verfehlt ihren Sinn. Dann lieber keine Entschuldigung und unter Umständen gehen dann beide Parteien in Zukunft getrennte Wege.

Nun aber genug dazu, wie man es nicht macht. Du bist schließlich hier, weil du wissen willst, wie man es besser machen kann.

Schritt 1 Ansprechen

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Psychische Verletzungen kann man zwar nicht sehen, aber sie sind da. Es spielt auch keine Rolle, ob man sie sehen kann oder nicht. Sie müssen aber auf jeden Fall versorgt werden. Deshalb ist es nicht hilfreich, Verletzungen zu ignorieren. Natürlich lohnt es sich, genau hinzusehen, ob man an der ein oder anderen Stelle vielleicht etwas empfindsamer ist. Das sollte aber nicht zur Verleugnung von Bedürfnissen führen.

Genauso gilt das, wenn du selbst befürchtest, dass du den anderen verletzt hast. Sprich es an. Ist es offen, könnt ihr beginnen, an der Kränkung zu arbeiten. Natürlich bringt das euren Alltag und eure Stimmung durcheinander, schwelt die Verletzung aber im Geheimen weiter, entsteht noch größerer Schaden und ihr habt vielleicht bald überhaupt keinen gemeinsamen Alltag mehr…

Schritt 2 Verstehen

Oft sind andere auf uns sauer und wir verstehen überhaupt nicht warum. Das liegt daran, dass wir alle unsere eigene Geschichte mit eigenen Erfahrungen haben. Deshalb interpretieren verschiedene Personen dieselben Situationen unterschiedlich. Das nennt sich Konstruktivismus.

Das ist relativ leicht erklärt: Stell dir eine Person vor, die nicht gerne vor größeren Gruppen redet. Wie wird sie es interpretieren, wenn im Publikum getuschelt und gelacht wird? Stell dir die gleiche Person vor, diesmal nur ohne Redeangst. Wird sie dieselbe Situation genauso interpretieren, was meinst du?

Willst du verstehen, warum dein Gegenüber verletzt ist, frag nach. Nachfragen signalisiert echtes Interesse an der Person und daran, die Situation wirklich klären zu wollen. Außerdem kann das so gewonnene Wissen dazu beitragen, zukünftige Verletzungen effektiv zu vermeiden.

Schritt 3 Anerkennen

Zum Verständnis gehört im dritten Schritt die Anerkennung der Verletzung. Aus meinen anderen Blog-Artikeln kennt ihr Julian und Sonja schon. Stellen wir uns vor, Sonja hat Julian verletzt. Sie fragt genau nach, warum Julian so seltsam reagierte, als sie meinte, er solle beim Aufräumen nicht einschlafen. Julian erklärt ihr daraufhin, dass sein Meister in der Ausbildung oft dieselben Worte benutzt hat und er es seinem Meister nie recht machen konnte. Jetzt hat Sonja verstanden, was genau Julian verletzt hat. Wenn sie nun zu ihm sagt:” Danke dass du es mir erklärt hast, aber das ist ja schon ziemlich lange her, ich finde da solltest du allmählich drüber weg sein!”, erkennt sie seine Verletzung nicht an. Sie spielt sie runter und nimmt ihn nicht ernst.

Ich erinnere noch einmal daran: ob eine Person verletzt ist, bestimmt die Person selbst, nicht der andere! Allerdings muss man natürlich auch sehen, dass es ein grundlegendes Bedürfnis der meisten Menschen ist, sich zu verteidigen und zu rechtfertigen. Wer gibt schon gerne zu, dass er oder sie sich verletztend verhalten hat.

Oft macht die Anerkennung der Kränkung ein Weitermachen aber erst möglich. Für Julian könnte es sehr befreiend sein, wenn Sonja sagen würde:”Es lag zwar nicht in meiner Absicht, dich zu verletzen, aber ich merke das hat es getan!”.

Schritt 4 Verzeihen

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Zum Verzeihen gehören immer Zwei: einer, der um Verzeihung bittet und einer, der Verzeihung gewährt.

Um Verzeihung zu bitten hat den Effekt, dass wir uns in die Hand des anderen begeben und so wieder ein Gleichgewicht schaffen. Verzeihung zu gewähren hat genau denselben ausbalancierenden Effekt. Ja, du hast richtig gelesen, auch der Verletzte trägt zum Gleichgewicht bei, wenn er oder sie verzeiht.

Wurde ich verletzt, sitze ich moralisch “auf dem hohen Ross”. Das kann eine verlockende Position sein, die man nur ungern aufgeben will. Schließlich kann man die Moralkarte immer wieder ausspielen und dafür sorgen, dass der Vorfall nie zur Ruhe kommt. Der andere steht dann auf ewig in meiner Schuld.

Allerdings kommt man dann selbst auch nie zur Ruhe. Es lohnt sich also darüber nachzudenken, ob man echte Verzeihung gewährt und es dann auch wirklich gut sein lässt. Kann man das nicht, hilft vielleicht Wiedergutmachung wie in Schritt 5.

Schritt 5 Wiedergutmachung

Gelingt Verzeihung (noch) nicht, ist eine Möglichkeit die Wiedergutmachung. Die Wiedergutmachung kann angeboten oder eingefordert werden. Sie ist als Symbolhandlung zu verstehen, selbstverständlich kann ein verletzendes Wort nicht zurückgenommen werden. Aber du kannst zeigen, dass du aktiv etwas tust, um für Ausgleich zu sorgen. Aus dem Verharren in Schuldgefühlen kommst du ins aktive Handeln, so wird ein Weiterkommen möglich. Und der andere zeigt mit Annahme der Wiedergutmachung, dass er den anderen aus der Schuld entlässt.

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Was ist dabei zu beachten?

  1. Die Parteien entscheiden individuell, woraus die Wiedergutmachung besteht
  2. Der Verletzte äußert klar, was als Wiedergutmachung in Frage kommt
  3. Die Wiedergutmachung ist klar begrenzt, sie hat einen Anfang und ein Ende

Derjenige, der verletzt hat, kann Vorschläge machen, aber der andere entscheidet oder passt die Wiedergutmachung an. Utopische Forderungen gelten nicht als Wiedergutmachung. Beispielsweise ist die Forderung:”Als Wiedergutmachung wirst du in Zukunft immer Rücksicht auf mich nehmen!”, mehr als unfair. Sie ist nicht zulässig.
Eine Wiedergutmachung mit klarem Anfang und Ende wäre beispielsweise die Planung eines Filmabends oder Restaurantbesuchs.

Wenn du das Gefühl hast, du steckst fest und ein Streit kommt nicht zur Ruhe, probier diese 5 Schritte doch einfach mal aus. Und vielleicht magst du deine Erfahrungen dann mit mir teilen.

Welche Erfahrungen habt ihr mit Entschuldigungen gemacht? Habt ihr weitere gute Ideen, wie entschuldigen und vergeben klappen kann? Schreibt mir an info@richtungswechsler.de.